In dem Artikel „Das Geheimnis der Behavior Patterns“ sind wir bereits auf die theoretischen Grundlagen zur Arbeit mit Verhaltensmustern eingegangen. In diesem Artikel behandeln wir die hoch effektiven „Waffen der Einflussnahme“ von Cialdini!
Die von Robert Cialdini bereits im Jahre 1984 aufgestellten sechs Prinzipien des Überzeugens finden ausgiebig Anwendung im Marketing. Auch im Onlinemarketing, vor allem zur Website-Optimierung, werden sie erfolgreich eingesetzt. Am 08. September 2016 – also quasi noch druckfrisch – ist die Erweiterung seines Werks „Pre-Suasion: A Revolutionary Way to Influence and Persuade“ erschienen. Darin wurden alle Erkenntnisse rund um die einflussreichen 6 Behavior Patterns auf den neusten Stand gebracht und noch mehr: Cialdini hat ein weiteres Prinzip definiert, welches sehr großen Einfluss haben soll.
In diesem Artikel zeigen wir Dir, was Du beim Einsatz der Prinzipien im Onlinemarketing wissen musst und stellen Dir Cialdinis 7. Prinzip des Überzeugens vor!
Die idealen Bedingungen für Behavior Patterns
Bevor Du Deine Nutzer mit einem der hier genannten Behavior Patterns überzeugst, kannst Du die Bedingungen optimieren, die für den Erfolg des Prinzips ausschlaggebend sind. So kann die Aufmerksamkeit der Nutzer besser gesteuert werden, damit der Nutzer im Vorfeld in Einklang mit der Aussage des zu verwendeten Prinzips gebracht. Nutzt man z.B. Priming (einen Reiz, der unbewusst eine Assoziationskette im Gedächtnis auslöst), um den Fokus des Nutzers zu lenken, kann man es schaffen, die Prinzipien zu verstärken. So sind Menschen eher hilfsbereit, wenn sie zuvor Bilder von Menschen sehen, die nah beieinander stehen. Werden wir auf Angst oder Bedrohung „geprimed“, so steigt die Akzeptanz von Autorität.
Priming: Den Nutzer aufgrund spezieller Assoziationen mit den betreffenden Informationen unbewusst in eine bestimmte Richtung lenken
Wie man hier im Speziellen vorgeht, sollte individuell auf den Anbieter konzipiert und getestet werden. Auf den Bereich Priming werden wir in einem weiteren Artikel genauer eingehen.
Eins vorweg: Die hier gezeigten Beispiele sollen nicht als Best-Practices angesehen werden, sondern dienen als Inspirationsquelle für eigene Ideen. Nutzt Du die Behavior Patterns individualisiert, so kannst Du einen viel stärkeren Hebel kreieren.
Prinzip 1: Reziprozität (Reciprocity)
Die Reciprozitätsregel gilt unter Wissenschaftlern als eine der am stärksten verbreiteten Normen in der menschlichen Kultur. Diese Regel besagt, dass wir möglichst darum bemüht sind, anderen das zurück zu geben, was wir zuvor erhalten haben.
Ein bewährtes Vorgehen ist es, etwas zu geben, bevor man eine Gegenleistung in Anspruch nimmt. Drei Merkmale haben sich hier herauskristallisiert. Das Prinzip:
- ist sehr effektiv und kann andere Prinzipien außer Kraft setzen,
- wirkt sich auch auf ungebetene erste Gefälligkeiten aus und
- führt zum Austausch ungleicher Gefälligkeiten.
Man möchte lieber mehr zurückgeben als man bekommen hat, um nicht noch zum Teil in der Schuld zu stehen.
Wichtige Faktoren der Reziprozitätsregel:
Das Prinzip wirkt effektiver, wenn das zuvor Gegebene bedeutungsvoll, unerwartet und individuell angepasst ist. Außerdem greift die Regel auch bei einer Bereitschaft für Kompromisse. Hierbei startet man mit einer überzogenen Forderung, auf die bei einer Ablehnung direkt eine geringere Forderung als „Kompromiss“-Vorschlag folgt.
Das Prinzip findet man oft in Verbindung mit einem Gutschein bei der Anmeldung für einen Newsletter. Bei digitalen Produkten werden kostenlose Proben zum Herunterladen angeboten oder man kann eine Software für bestimmte Zeit gratis testen. Einige Anbieter schenken ihren Nutzern kostenlosen Versand oder legen bei der Bestellung eine Kleinigkeit mit ins Paket. So werden aus Neukunden eher Wiederkäufer.
Prinzip 2: Sympathie (Liking)
Wir haben eine höhere Bereitschaft, uns von jemandem überzeugen zu lassen, den wir sympathisch finden.
Sympathie lässt sich auf die verschiedensten Arten erzeugen. Die wichtigsten Faktoren, welche Sympathie auslösen können, sind die Ähnlichkeit zum Nutzer, Vertrautheit und Lob & Anerkennung in gemäßigter Form. Außerdem kann auch die äußere Attraktivität der Person, die überzeugen möchte, sympathisch auf uns wirken.
Im klassischen Marketing macht sich häufig Vertrautheit durch wiederholte Kontakte (den sog. Mere-Exposure-Effekt) und die Assoziation einer Sache oder Person mit etwas anderem, positivem zu Nutze. Auch das Spiegeln des Nutzers in bestimmten Situationen lässt unbewusst Sympathie aufbauen.
Auf Websites haben sich Bilder mit Personen, die authentisch wirken, als sympathischer erwiesen als „Modelshoots“. Hier sollte man stark auf die Zielgruppe und am besten auf die erstellte Persona Rücksicht nehmen.
Prinzip 3: Soziale Bewährtheit (Social Proof)
Das Verhalten in einer Situation wird dann als richtig erachtet, wenn wir das Verhalten bei anderen Personen beobachten.
Man geht davon aus, dass dieses Verhalten aus früheren Tagen der Menschheit stammt, als Entscheidungen wie „Soll ich weglaufen?“ über Leben und Tod entschieden. Wer sich in einer solchen Situation verhalten hat wie die Mehrheit, hatte gute Chancen den Tag zu überstehen.
Wichtige Faktoren der sozialen Bewährtheit
Gerade wenn bei Nutzern eine Unsicherheit darüber herrscht, wie sie sich verhalten sollen, funktioniert die Soziale Bewährtheit sehr gut. Außerdem wird das Verhalten von Personen, die dem Nutzer ähnlich sind, beobachtet und eher nachgeahmt. Beim Einsatz der sozialen Bewährtheit sollte man darauf achten, dass der Trigger valide (Wirken die Bewertungen authentisch?) und die Durchführbarkeit des Verhaltens einfach möglich ist.
Wir finden die soziale Bewährtheit auf verschiedensten Arten von Websites. Oft werden Kundenbewertungen für ein Produkt oder den Anbieter angezeigt. Aber auch Labels wie “Bestseller“ zeigen dem Nutzer, was andere kaufen und woran er sich orientieren kann.
Prinzip 4: Autorität (Authority)
Wir neigen dazu, uns Anweisungen von Autoritäten zu beugen.
Dabei tendieren wir dazu, automatisch auf bloße Symbole der Autorität zu reagieren, statt auf die Autorität selbst. Diese Symbole waren in Untersuchungen Titel, Kleidung und Autos. Es ist aber davon auszugehen, dass gerade im Onlinebereich bspw. gewisse Trustsiegel einen ähnlichen Effekt hervorrufen. Wichtig ist, dass der Autorität die Expertise in ihrem Bereich abgekauft wird und sie vertrauenswürdig wirkt.
Online finden wir Trigger in Form von Trustsiegeln verschiedenster Anbieter. Auch Seitenbetreiber können sich selbst stärker als Experten positionieren und Empfehlungen geben, um Autorität zu vermitteln.
Prinzip 5: Verknappung (Scarcity)
Wir messen Gelegenheiten einen höheren Wert bei, die weniger erreichbar sind. D.h. knappe Güter werden als wertvoller erachtet.
Knappe Güter sind wertvoller für uns, da wir eine Grundangst besitzen, dass eine Gelegenheit nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Das Prinzip funktioniert mit einer mengenmäßigen oder zeitlichen Verknappung eines Guts.
Wichtige Faktoren der Verknappung
Das Prinzip wirkt besonders stark, wenn die Knappheit erst kürzlich eingetreten und nicht schon länger (oder ständig) vorhanden ist. Außerdem wirkt es stärker, wenn man das Gefühl hat, in eine große Konkurrenz mit anderen treten zu müssen.
Auf Websites lassen sich Angebote sehr einfach zeitlich sowie mengenmäßig begrenzen und dementsprechend präsentieren. Wer den knappen Lagerbestand in Echtzeit darstellen möchte, sollte darauf achten, dass die Artikelanzahl stimmt, sonst droht schnell eine Abmahnung.
Prinzip 6: Commitment & Konsistenz (Commitment & Consistency)
Wir streben danach, in unseren Worten, Taten und Überzeugungen konsistent zu sein.
Jemand, der einen Standpunkt zu einer Sache bezogen hat, ist eher gewillt, einer Bitte nachzugehen, die im Einklang mit dem Standpunkt steht. Sind Entscheidungen einmal getroffen worden, tendieren wir dazu, diese weiterhin aufrecht zu erhalten (selbst wenn es falsche Entscheidungen waren).
Das Prinzip kann als kleiner erster Schritt vor dem eigentlichen Trigger eingesetzt werden z.B., um den Nutzer zu primen („Sind Sie ein Schnäppchenjäger?“ + Scarcity). Möchte man seine User eine Nutzerumfrage durchführen lassen, kann „Halten Sie sich für einen hilfsbereiten Menschen?“ als Anfangsfrage gut funktionieren, um den Nutzer diesen Standpunkt einnehmen zu lassen.
Und hier ist es, das lang ersehnte, 7. Prinzip:
Das neue 7. Prinzip: Zusammengehörigkeit (Unity)
Wir lassen uns eher von etwas überzeugen, wenn wir es zu unserer Gruppe gehörend ansehen.
Im Gegensatz zum Prinzip der Sympathie, bei dem Menschen uns sympathisch sind, wenn sie uns ähneln, geht es bei der Zusammengehörigkeit um das „Wir“. Cialdini spricht von „gemeinsamen Identitäten“. Das Wir-Gefühl kann in sehr verschieden Ebenen entstehen: als Familie, als Ort, als Region, als politische Gruppe, als Religion usw.
Auch durch gleiche Handlungen kann das Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehen. Wenn Menschen bei der Entstehung einer Sache mitwirken können, sind sie eher positiv darüber gestimmt.
Cialdini testete das Prinzip in der Marktforschung. Er hat Kunden eine Umfrage ausfüllen lassen, in der er entweder nach einem Ratschlag, ihrer Meinung oder ihrer Erwartung an ein neues Fast-Food-Restaurant gefragt hat. Die Personen, die nach einem Ratschlag gefragt wurden, haben signifikant öfter positiv geantwortet, weil die Frage das Konzept der Zusammengehörigkeit ausgelöst hat.
Wer seine Zielgruppe sehr gut kennt, kann einfach herausfinden, welche Art der Zusammengehörigkeit Anbieter und Nutzer verbindet. Bei regionalen Kunden kann man den Ort verwenden, als Nischenanbieter ein spezielles Hobby. Verwendet man die Wortwahl des Nutzers, fühlt er sich besser abgeholt. Das Gefühl, zusammen zu gehören kann dann personalisiert durch Content ausgelöst werden.
In der Customer Journey: Timing ist alles
Die genannten Behavior Patterns lassen sich auch in Phasen einer Customer Journey zuordnen. Allgemein gliedert Cialdini die Prinzipien in drei Phasen:
- Positive Assoziation generieren
- Reziprozität
- Sympathie
- Unsicherheit verringern
- Soziale Bewährtheit
- Autorität
- Zum Handeln bewegen
- Verknappung
- Commitment
Das bedeutet, dass man Reziprozität und Sympathie eher am Anfang der Customer Journey einsetzen sollte, um eine positive Assoziation zum Anbieter zu generieren.
Ist die positive Assoziation in Form von Vertrauen gegeben, ist es vermehrt notwendig, die Unsicherheit der Nutzer zu reduzieren. Dies kann mit der sozialen Bewährtheit (wie verhalten sich andere?) und Autorität (was sagt der Experte?) umgesetzt werden.
Letztendlich sollten die Nutzer zum Kauf (Konversion) motiviert werden. Mit einer Verknappung (wenn ich es nicht jetzt kaufe, entgeht mir die Gelegenheit) und Commitment (den Rest erledige ich jetzt auch noch) kann man es schaffen die Motivation final zu triggern.
Fazit:
Die Prinzipien des Überzeugens gibt es schon lange und sie werden ausgiebig im Onlinemarketing angewandt. Unser Appell ist es, dem Grundprinzip treu zu bleiben und auf ein gutes Timing zu achten, jedoch für eine Überraschung beim Nutzer zu sorgen und den Trigger individuell auf die Website zuzuschneiden. Heutzutage haben wir die Möglichkeit, mit A/B–Testing selbst herauszufinden, welche Behavior Patterns unsere Zielgruppen ansprechen und an welchen Stellen die entsprechenden Trigger platziert werden sollten.
Wie steige ich noch tiefer ein und wo finde ich die Behavior Patterns?
Du möchtest tiefer in das Thema Behavior Patterns eintauchen? Dann stay tuned! In den kommenden Wochen, Monaten, Jahren gehen wir den Behavior Patterns auf den Grund. Unsere Tipps:
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- Der Grundlagenartikel: Das Geheimnis der Behavior Patterns
Wir freuen uns über Fragen und Kommentare!
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