Viele Online-Händler schreiben in ihre AGB: „Es gilt deutsches Recht.“ Die deutschen Gerichte halten das für klar unzulässig, wenn der Händler auch ins Ausland liefert. Abschließend klären wird dies nun aber der EuGH. Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge vorgelegt.
Vor dem EuGH (Rechtssache C-191/15) liegt derzeit ein Verfahren, welches seinen Ursprung in Österreich hat. Der Verein für Konsumenteninformation klagt gegen amazon.
Rechtswahl: Luxemburgisches Recht
In den AGB von amazon heißt es unter anderem:
„Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts.„
Der Verein für Konsumenteninformationen hat unter anderem wegen dieser Klausel Klage eingereicht, um amazon die Verwendung dieser Klausel zu untersagen.
Der OGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH unter anderem folgende Frage gestellt:
„Ist eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, wonach auf einen Vertrag, der im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen einem Verbraucher und einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer geschlossen wird, das Recht des Sitzstaats dieses Unternehmers anzuwenden ist, missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13?“
Die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen bestimmt:
„Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“
Welches Recht gilt?
Das Gesetz (Art. 6 Abs. 1 Rom I Verordnung) schreibt vor, welches Rechts ganz grundsätzlich beim grenzüberschreitenden Handel gilt:
„Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer
a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtetund der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“
Hätte amazon also gar keine Rechtswahl in seinen AGB stehen, würde gegenüber Verbrauchern aus Österreich österreichisches Recht Anwendung finden, gegenüber Verbrauchern aus Deutschland deutsches Recht.
Rechtswahl grundsätzlich zulässig
Art. 6 Abs. 2 der Rom I Verordnung ermöglicht es den Parteien aber, eine Rechtswahl zu treffen. Allerdings mit Einschränkungen:
„Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.“
Schlussanträge des Generalanwaltes
Der Generalanwalt am EuGH hat nun seine Schlussanträge zu dem Verfahren vorgelegt.
„Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu ermitteln, ob eine Klausel in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den sich aus den genannten Vorschriften ergebenden Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt.
Allerdings ist der Gerichtshof dafür zuständig, aus den Vorschriften der Richtlinie 93/13 die Kriterien abzuleiten, die das nationale Gericht bei dieser Beurteilung anwenden kann oder muss.„
Der Generalanwalt meint aber auch, dass die Rechtswahlklausel an sich nicht dazu führt, dass der Verbraucher sich nicht auf österreichisches Recht berufen kann.
„Die Argumentation von VKI beruht offenbar auf der Annahme, Klausel 12 der betreffenden allgemeinen Geschäftsbedingungen sehe vor, dass der Vertrag ausschließlich dem luxemburgischen Recht unterliege, ohne dass die Verbraucher in den Genuss des Schutzes kommen könnten, den ihnen die zwingenden Vorschriften des Rechts ihres Wohnsitzmitgliedstaats gewährten.
Diese Annahme trifft meines Erachtens nicht zu.
Der Wortlaut der Klausel gibt eine solche Auslegung nicht her.
Nur weil die Klausel nicht ausdrücklich auf den Schutz verweist, den Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung den Verbrauchern gewährt, kann sie den Verbrauchern diesen Schutz nicht nehmen. Er ergibt sich nämlich unmittelbar aus der genannten Rechtsvorschrift, mit der die Privatautonomie der Parteien begrenzt wird.
Die Verbraucher können sich also auf diesen Schutz berufen, ohne dass er in Form einer vertraglichen Verpflichtung festgeschrieben werden müsste.“
Zu prüfen sei nun, ob diese Klausel Verbraucher aber so sehr benachteiligt, dass sie ein erhebliches Missverhältnis entstehen lässt.
„Im vorliegenden Fall bedeutet dies konkret, dass die betreffende Klausel hinsichtlich der durch Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung garantierten Möglichkeit des Verbrauchers, sich auf die zwingenden Vorschriften des Rechts seines Wohnsitzstaats zu berufen, hinreichend transparent sein muss. Der insoweit erforderliche Grad an Transparenz hängt von sämtlichen relevanten Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei ist zu beachten, dass Verbraucherverträge oft über geringe Beträge geschlossen werden, erst recht im elektronischen Geschäftsverkehr.
Der Durchschnittsverbraucher wird daher wenig geneigt sein, eine Klage gegen den Unternehmer zu erheben. Durch eine Rechtswahlklausel, mit der das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers gewählt wird, kann eine solche Klage noch mehr an Attraktivität verlieren.
Außerdem dürfte der Durchschnittsverbraucher über den Schutz, den ihm Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung bietet, nicht hinreichend informiert sein. Folglich wird er sich im Prinzip allein an den Wortlaut der Rechtswahlklausel halten. Die Möglichkeit für den Verbraucher, sich auf den Schutz zu berufen, den ihm die zwingenden Gesetze seines Wohnsitzstaats gewähren, hat aber beträchtliche praktische Bedeutung.
Zunächst enthalten diese Gesetze eine erhebliche Zahl von Vorschriften, auf die sich der Verbraucher berufen kann. Dazu gehören u. a. die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Besitzstands der Union im Bereich des Verbraucherschutzes, insbesondere im Hinblick auf den elektronischen Geschäftsverkehr. Denn wie aus den einschlägigen Richtlinien hervorgeht, haben diese Vorschriften grundsätzlich zwingenden Charakter.
Ferner ist der Verbraucher mit den Rechtsvorschriften seines Wohnsitzstaats normalerweise besser vertraut, und diese sind für ihn besser zugänglich (schon aus rein sprachlichen Gründen), so dass er sich leichter auf sie berufen kann als auf die des Sitzmitgliedstaats des Unternehmers.
Zudem macht Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung den „Schutz …, der [dem Verbraucher] durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht [seines Wohnsitzmitgliedstaats] nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf“, meines Erachtens nicht davon abhängig, dass diese Bestimmungen materiell ein höheres Schutzniveau vorsehen als die des gewählten Rechts.
Mithin kann sich der Verbraucher gemäß Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung pauschal auf die zwingenden Vorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats berufen, unabhängig davon, ob diese inhaltlich für ihn günstiger sind als die Vorschriften des gewählten Rechts.
Zudem ist die Möglichkeit, sich auf einen solchen Schutz zu berufen, für den Verbraucher umso wichtiger, als bestimmte Unionsrichtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes lediglich eine Mindestharmonisierung vornehmen. Andere überlassen es den Mitgliedstaaten, in Bezug auf bestimmte in ihren Anwendungsbereich fallende Aspekte nationale Rechtsvorschriften beizubehalten oder zu erlassen. Der Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers kann dem Verbraucher also einen umfassenderen als den in den Richtlinien und gegebenenfalls den Gesetzen zu ihrer Umsetzung in der gewählten Rechtsordnung vorgesehenen Schutz gewähren.
Ich stimme daher mit VKI und der Regierung des Vereinigten Königreichs darin überein, dass beim Durchschnittsverbraucher dadurch, dass er in Klausel 12 der betreffenden allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wird, sich auf die zwingenden Vorschriften seines Wohnsitzstaats zu berufen, der falsche Eindruck entstehen kann, dass auf den Vertrag allein das durch die genannte Klausel gewählte Recht anwendbar sei.
Ein Verbraucher, der so in die Irre geführt wird, wird aber möglicherweise – vor allem weil er nicht mit den Verbraucherschutzvorschriften des gewählten Rechts vertraut ist – von der Erhebung einer Klage absehen.
Folglich könnte die betreffende Klausel meines Erachtens ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen und somit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 missbräuchlich sein; dies wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben.“
Einfacher Hinweis genügt
Amazon wandte in dem Verfahren ein, dass diese Anforderung, den Verbraucher auf das zwingend geltende nationale Recht hinzuweisen, eine unlösbare Aufgabe wäre.
Denn amazon müsste dann auch jede dieser zwingenden Vorschriften aufführen.
Das, so meint jedenfalls der Generalanwalt, sei allerding nicht der Fall:
„Amazon EU hat eingewandt, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel dem Unternehmer die übermäßig schwere Verpflichtung aufbürden würde, alle zwingenden Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats des Verbrauchers anzuführen, wenn er das auf den Vertrag anwendbare Recht wählen wolle.
Insoweit sei klargestellt: Eine solche Feststellung würde nicht zu einer solchen Verpflichtung führen.
Sie würde die Unternehmer lediglich dazu verpflichten, eine Formulierung zu wählen, mit der im Text der Rechtswahlklausel unmissverständlich angegeben wird, dass diese den Schutz, den die zwingenden Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats den Verbrauchern bieten, unberührt lässt.
Die Rechtsvorschriften müssten aber nicht im Einzelnen angeführt werden.“
Das kann man aber auch anders sehen, nämlich genau so wie amazon. Andernfalls könnte die Zulässigkeit einer Rechtswahlklausel nämlich am Transparenzgebot scheitern.
Fazit
In aller Regel folgt der EuGH in seinem Urteil den Schlussanträgen des Generalanwaltes. Wir können noch nicht sagen, wann hier mit einem Urteil zu rechnen ist. Sobald der EuGH aber in der Sache entscheiden hat, werden wir selbstverständlich darüber berichten.
Die deutschen Gerichte haben sich in dieser Frage übrigens keine so großen Gedanken wie die Kollegen aus Österreich gemacht. Schon häufiger wurden Händler wegen entsprechender Rechtswahlklauseln abgemahnt und die Gerichte sahen darin immer einen klaren Verstoß. (mr)
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