Es ist schon lange Standard, dass in Geschäften mobile Terminals stehen, über die man Produkte im Online-Shop des Ladens bestellen kann, die gerade vor Ort nicht vorrätig sind. Die Steigerung davon sind reine Showrooms ohne Personal, in denen ausschließlich über aufgestellte Terminals bestellt werden kann. Aber gilt in diesen Fällen eigentlich ein Widerrufsrecht?
Der Blog Zukunft des Einkaufens veröffentlichte vor einiger Zeit einen interessanten Artikel. Dabei ging es um Ladengeschäfte von Argos in UK. Einziger Zweck dieser Ladengeschäfte: Die Kunden sollen in den Laden kommen, um dann dort online zu bestellen.
Die Autoren waren vor Ort und führten einen „Storecheck“ durch. Dabei machten sie auch eine interessante Beobachtung:
„Was auffiel: Alle, aber auch alle Bestellterminals waren belegt! Die Shopper blätterten in Katalogen oder surften im Webshop um gewünschte Artikel zu finden. Was nicht zu sehen war: Personal, das den Kunden bei Problemen am Bestellvorgang unterstützt.“
Bei diesem wirklich interessanten Konzept fragt sich der Jurist natürlich: Ist das ein Fernabsatzgeschäft?
Und damit verbunden sind die Fragen:
- Welche Informationspflichten müssen erfüllt werden?
- Besteht bei dieser Art des Einkaufens ein Widerrufsrecht?
Schauen wir uns das einmal genauer an.
Der Fernabsatzvertrag
Der Fernabsatzvertrag ist eine Unterart des Verbrauchervertrages. Ist der Kunde Verbraucher, liegt auch in der beschriebenen Konstellation auf jeden Fall ein Verbrauchervertrag vor.
Der Fernabsatzvertrag wird ferner in § 312c Abs. 1 BGB wie folgt definiert:
„Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.“
Der Verkäufer ist auch in dieser besonderen Verkaufssituation Unternehmer und der Kunde – davon gehen wir jetzt einmal aus – Verbraucher.
§ 312c Abs. 2 BGB definiert dann weiter den Begriff der Fernkommunikationsmittel:
„Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.“
Da kommt es natürlich darauf an, wie über ein Bestellterminal oder ein bereitgestelltes Tablet bestellt wird – im Zweifel aber per Mail oder per Telemedium (also z.B. ein über das Terminal aufgerufener Online-Shop des Unternehmers).
Der Vertragsschluss muss auch im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolgen. Das ist aber zweifelsfrei zu bejahen, wenn der Händler selbst entsprechende Bestellterminals aufstellt.
Weiter ist es notwendig, dass sowohl die Vertragsverhandlungen als auch der Vertragsschluss ausschließlich mit eben solchen Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird.
Kein Personal im Geschäft
Zur Beantwortung dieser Frage muss man zwei Szenarien unterscheiden. Die Autoren auf Zukunft des Einkaufens haben geschildert, dass in ihrem „Feldversuch“ gar kein Personal im Store anwesend war.
Da ist die Frage ziemlich einfach zu beantworten: Da gar kein Vertreter des Unternehmers anwesend ist, können auch keine Vertragsverhandlungen „von Angesicht zu Angesicht“ geführt werden. Der gesamte Prozess wird also über Fernkommunikationsmittel abgewickelt.
Es handelt sich damit klar um einen Fernabsatzvertrag, bei dem alle Informationspflichten wie in einem normalen Online-Shop erfüllt werden müssen.
Und bei solchen Verträgen gilt natürlich auch das Widerrufsrecht, über das der Verbraucher entsprechend zu belehren ist.
Diese Situation ist mit folgender vergleichbar: Der Kunde betrachtet von der Straße aus das Schaufenster und bestellt mit seinem eigenen Tablet in dem Online-Shop des Händlers. Auch hier handelt es sich klar um einen Fernabsatzvertrag.
Personal ist im Geschäft
Anders kann die Situation aber sein, wenn es um ein ganz normales Ladengeschäft handelt, in dem ebenfalls ein Bestellterminal aufgebaut ist. Bei großen Modeketten ist das heute sehr üblich.
Der Kunde kommt in den Laden, probiert das eine oder andere Teil, die passende Größe gibt es leider nicht, also schnell über das Terminal bestellen und liefern lassen.
Jetzt kommt es darauf an, ob während dieses Vorganges Vertragsverhandlungen stattgefunden haben.
Hat der Kunde die Beratung durch das Personal genutzt? Und was genau wurde da gesagt? Eine einfache Beratung im Sinne von „Das steht Ihnen aber (nicht)“ dürfte noch keine Vertragsverhandlung sein.
Vertragsverhandlungen im Ladengeschäft
Weist das Personal aber z.B. explizit auf die Bestellmöglichkeit am Terminal hin und gibt vielleicht sogar noch einen Gutscheincode für die sofortige Bestellung, kann die Beurteilung anders ausfallen.
In einem solchen Fall kann man schon von „Vertragsverhandlungen“ sprechen. Bestellt der Kunde dann über das Terminal, handelt es sich streng genommen nicht um einen Fernabsatzvertrag und dem Kunden steht somit auch kein Widerrufsrecht zu.
Die Abgrenzung, wann Vertragsverhandlungen durchgeführt wurden und wann nicht, ist schwierig.
Die Kommentarliteratur meint sogar, es würde ausreichen, wenn der Kunde sich abschließend über das Produkt vor Ort informieren konnte.
In Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechterichtlinie heißt es zu solchen oder ähnlichen Fallgruppen:
„Diese Begriffsbestimmung sollte auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt.
Im Gegensatz dazu sollte ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten.
Desgleichen sollte ein Vertrag, der über ein Fernkommunikationsmittel angebahnt und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten.“
Diese Fragen sind nicht immer einfach zu beantworten, wie auch eine Entscheidung des LG Berlin (Urt. 12.3.2013, 83 S 52/12 – noch zum alten Recht) zeigt.
Wird über das Terminal einfach nur der normale Online-Shop des Unternehmers aufgerufen, belehrt er auch schon richtig über das Widerrufsrecht. Ist es aber ein eigenes Bestellsystem, sollten die Prozesse und Texte stimmen und entsprechend der tatsächlichen Situation angepasst werden.
Beweislast liegt beim Unternehmer
Die Beweislast, ob Vertragsverhandlungen im persönlichen Kontakt stattgefunden haben, trägt der Unternehmer.
Fazit
Multi- oder Cross-Channel-Händler sollten sich ihre Prozesse noch einmal ganz genau anschauen und prüfen, ob sie den Verbraucher ordnungsgemäß, d.h. nach den richtigen gesetzlichen Vorschriften informieren. Wird der Verbraucher z.B. nicht über das Widerrufsrecht belehrt, obwohl ein Fernabsatzvertrag vorliegt, kann das zu Abmahnungen und einer verlängerten Widerrufsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen führen.
Sind Sie sich unsicher, ob bei ihrem Geschäftsmodell ein Widerrufsrecht besteht oder welche Informationspflichten zu erfüllen sind? Gerne beraten wir Sie auch in diesem Punkt. Nehmen Sie einfach Kontakt auf. (mr)
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