Der Handel mit digitalen Inhalten wie eBooks, Musik-Downloads oder auch virtuellen Spielelementen boomt. Auch beim Verkauf solcher Produkte besteht grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Dieses kann aber vor Ablauf der Frist erlöschen. Das LG Karlsruhe hat dazu eine interessante Entscheidung gefällt.
Der vzbv ging gegen die Anbieterin des Online-Spiels „NosTale“ vor. Hintergrund war der Bestellprozess zum Erwerb von sog. „NosTalern“, also virtuellem Spielgeld, welches dann wiederum in dem Spiel „NosTale“ eingesetzt werden konnte.
Das Spiel NosTale ist an sich kostenlos. Die Finanzierung des Spiels erfolgt über den Verkauf der NosTaler. Diese können dann von den Spielern eingesetzt werden, um diverse Spielelemente zu erwerben.
Verkauf von virtuellem Spielgeld
Der Verkauf dieser NosTaler wird über einen Online-Shop abgewickelt.
Neben dem „Jetzt kaufen“-Button befand sich in dem Shop folgender Hinweis:
„Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ stimme ich der sofortigen Vertragsausführung durch G zu und weiß, dass dadurch mein Widerrufsrecht erlischt.“
Daneben befindet sich ein Fragezeichen. Beim Klick auf das Fragezeichen öffnet sich dann folgender Text:
„Zum 13. Juni 2014 gab es eine Gesetzesänderung. Diese hat zur Folge, dass Kunden für digitale Dienste oder Inhalte ihr Geld zurück verlangen können, obwohl diese von ihnen bereits genutzt oder verbraucht wurden. Dadurch hat der Missbrauch beim Kauf digitaler Güter erheblich zugenommen. Um nun wirtschaftlichen Schaden von uns und unseren Kunden abzuwenden, müssen wir dich leider darum bitten, beim Einkauf in unserem Shop auf dein Widerrufsrecht zu verzichten. Ohne diese Maßnahme wären wir in absehbarer Zeit gezwungen, unsere Preise zu erhöhen. Dies liegt jedoch weder in unserem noch in deinem Interesse. Wir bitten dich um dein Verständnis.“
Klickt der Kunde auf „Jetzt kaufen“ kann er die Bezahlmethode auswählen. Hat er gezahlt, wird die entsprechende Anzahl NosTaler seinem Kundenkonto gutgeschrieben.
Abmahnung wegen Irreführung
Diesen Bestellprozess bzw. die darin hinterlegten Informationen mahnte der vzbv wegen Irreführung über das Bestehen des Widerrufsrechtes ab.
„Die Beklagte verstoße gegen § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG, indem sie bei Verbrauchern für die Verträge über den Erwerb der „NosTaler“ den unzutreffenden Eindruck erwecke, dass das bestehende Widerrufsrecht durch Betätigen des Buttons „Jetzt kaufen“ erlösche.
„NosTaler“ seien keine digitalen Inhalte gemäß § 356 Abs. 5 BGB, da es sich nicht um Daten im Sinne des Erwägungsgrundes 19 der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) handele, sondern um ein Zahlungsmittel. Sie hätten keinen Informationsgehalt, sondern verbrieften lediglich einen Anspruch bzw. eine Forderung der Verbraucher gegen die Beklagte.
Zudem fehle es bei den „NosTalern“ auch an dem nach der Definition für digitale Inhalte erforderlichen Herunterladen. § 356 Abs. 5 BGB regele einen Ausnahmetatbestand zu § 356 Abs. 1 BGB.
Folglich seien die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen. Grund für die Regelung sei, dass bei digitalen Inhalten eine Rückabwicklung deswegen unbillig wäre, weil der primäre Wert der entsprechenden Verträge für den Verbraucher in der Wahrnehmung und dem Konsum des Inhalts bestehe.
Eine solche Wahrnehmung könne dem Verbraucher nicht mehr genommen werden, so dass bei ihm im Fall des Widerrufs der Wert des Vertrages verbleibe. Diese Umstände seien auf die „NosTaler“ nicht übertragbar.
Verbraucher profitierten davon erst, wenn sie damit virtuelle Spielgegenstände erwerben. Eine Rückabwicklung der Verträge sei daher problemlos möglich, ohne dass die Beklagte Sorge haben müsse, dass dem Verbraucher irgendein Vorteil verbleibe, denn die Beklagte habe ohne weiteres die Möglichkeit, die „NosTaler“ vom Konto des Verbrauchers zu entfernen.
Zudem sei für den Verzicht auf den Widerruf eine gesonderte Erklärung des Verbrauchers erforderlich.
§ 356 Abs. 5 BGB diene keineswegs uneingeschränkt dem Schutz der Unternehmer. Da durch die Zustimmung der Verbraucher deren Rechte eingeschränkt werden, seien hieran dieselben Anforderungen zu stellen wie an eine Erklärung im Sinne des § 312a Abs. 3 S. 2 BGB.
Es sei also eine zusätzliche Aktion erforderlich, die gerade auf die Zustimmung zur vorzeitigen Erfüllung gerichtet sei. Zudem müsse die Erklärung des Verbrauchers über die Zustimmung zum Verzicht auf das Widerrufsrecht auch nach Vertragsschluss erfolgen.
Sowohl aus dem Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechte-Richtlinie als auch aus Art. 16 m) der Verbraucherrechte-Richtlinie und dem Wortlaut von § 356 Abs. 5 BGB ergebe sich, dass der Verbraucher bereits ein Widerrufsrecht haben müsse, welches er unter den genannten Voraussetzungen verliere. Es Widerrufsrecht werde jedoch nach § 355 Abs. 2 BGB erst mit dem Vertragsschluss begründet und könne daher nicht zeitgleich erlöschen.
Auch ein vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts § 356 Abs. 4 BGB komme hier nicht in Betracht, da es an einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen fehle. Zudem sei die Gutschrift der „NosTaler“ keine vollständige Erbringung der Leistung.“
Dieser Argumentation folgte die Beklagte naturgemäß nicht. Sie verteidigte sich und argumentierte, dass es sich bei den NosTalern um digitale Inhalte handeln würde und dass durch die Zustimmung des Kunden das Widerrufsrecht erlösche.
Ausdrückliche Erklärung erforderlich?
Außerdem war die Beklagte der Meinung, dass eine gesonderte Erklärung des Verbrauchers nicht erforderlich sei,
„da nur eine vorherige ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers verlangt werde. […]
Auch sei die Zustimmung zum Verzicht auf das Widerrufsrecht nach dem Wortlaut von § 356 Abs. 5 BGB bereits mit Vertragsschluss zulässig, was sich ebenfalls aus einer richtlinienkonformen Auslegung ergebe.
Eine Zustimmung nach Vertragsschluss wäre auch nicht im Sinne des Verbrauchers, der bereits mit Vertragsschluss gegenüber dem Unternehmer eine vertragliche Verpflichtung eingehe.
Müsse die Zustimmung des Verbrauchers zwingend nach Vertragsschluss eingeholt werden, würde der Verbraucher erst dann vor die Wahl gestellt, entweder 14 Tage auf seine Leistung zu warten oder auf das Widerrufsrecht zu verzichten, obwohl er seinerseits bereits eine vertragliche Verpflichtung eingegangen und gegebenenfalls sogar in Vorleistung getreten sei.
Der Verbraucher würde dadurch einer ungleich höheren Drucksituation ausgesetzt, als wenn er bereits vor Vertragsschluss frei entscheiden könne, ob er in Kenntnis der sofortigen Vertragsausführung und des Erlöschens des Widerrufsrechtes eine vertragliche Verpflichtung eingehen möchte.“
NosTaler sind digitale Inhalte
Das Gericht folgte grundsätzlich der Auffassung des vzbv und sah ebenfalls eine Irreführung über das Bestehen des Widerrufsrechtes.
Allerdings stellte es zunächst klar, dass es sich bei den NosTalern um digitale Inhalte handle.
„Die von der Beklagten angebotenen „NosTaler“ sind digitale Inhalte. Darunter fallen nach der Legaldefinition in § 312 f Abs. 3 BGB nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden. […]
Bei den „NosTalern“ handelt es sich um digitale Inhalte i.S. der Legaldefinition in § 312 f Abs. 3 BGB. Nach dem Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (im Folgenden: Verbraucherrechte-Richtlinie) sowie der Gesetzesbegründung zu § 312 f Abs. 3 BGB (BT-Drucks 17/12637, S. 55) fallen unter digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form hergestellt oder bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte.
Die „NosTaler“ sind als Bestandteil in das Computerspiel „NosTale“ integriert und damit selbst digitale Inhalte. Sie erweitern die Handlungs- und Spielmöglichkeiten des Nutzers des Computerspiels und können aus diesem nicht sinnvollerweise herausgelöst werden, weil sie nicht auf andere Spiele oder Spieler übertragen werden können.“
Irreführung über Bestehen des Widerrufsrechtes
Der Hinweis, dass mit dem Klick auf „Jetzt kaufen“ das Widerrufsrecht erlösche, verstoße gegen § 356 Abs. 5 BGB, entschied das Gericht weiter.
Aus dieser Vorschrift gehe hervor, dass in zeitlicher Hinsicht zunächst ein Widerrufsrecht bestehen müsse, damit dieses erlöschen könne.
„§ 356 Abs. 5 BGB regelt das Erlöschen des Widerrufsrecht bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten.
Ein Recht kann aber nur Erlöschen, wenn es vorher bestanden hat. Nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist, so dass zu diesem Zeitpunkt das Widerrufsrecht entsteht, hier also mit dem Zugang der Annahmeerklärung des Verbrauchers auf das Angebot der Beklagten zum Kauf von „NosTalern“.
Dann kann aber nicht gleichzeitig mit einer Erklärung der Vertrag zustande kommen und das Widerrufsrecht erlöschen, sondern es ist eine zeitlich spätere gesonderte Erklärung des Verbrauchers über die Bestätigung der Kenntnis über den Verlust des Widerrufsrechts i.S. von § 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB erforderlich.“
Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes
Der gegenteiligen Auffassung der Beklagten folgte das Gericht nicht.
„Der Wortlaut des § 356 Abs. 5 BGB regelt – wie erwähnt – das Erlöschen des Widerrufsrechts und zwar mit Beginn der Ausführung des Vertrags durch den Unternehmer, also zeitlich nach dem Vertragsschluss. Auch in § 356 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 2 BGB wird darauf abgestellt, dass die Ausführung des Vertrags vor Ablauf des Widerrufsrechts beginnt und der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert, was ebenfalls darauf hinweist, dass der Gesetzgeber von einer zunächst begonnen Widerrufsfrist ausgeht und der Verbraucher durch seine ausdrückliche Zustimmung sein bestehendes Widerrufsrecht verliert.
Zu einer abweichenden Beurteilung gelangt man auch nicht über eine richtlinienkonforme Auslegung. Art. 16 m) der Verbraucherrechte-Richtlinie bestimmt, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert und Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechte-Richtlinie spricht davon, dass der Verbraucher für derartige Verträge ein Widerrufsrecht haben sollte, es sei denn er hat während der Widerrufsfrist dem Beginn der Vertragserfüllung zugestimmt und zur Kenntnis genommen, dass er infolgedessen sein Widerrufsrecht verliert. Damit wird aber in der Richtlinie ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass zunächst ein Widerrufsrecht bestehen muss und die Erklärung über den Vertragsabschluss und den Verlust des Widerrufsrechts nicht zusammenfallen können.
Nicht zu überzeugen vermag die weitere Begründung der Beklagten, dass das Erfordernis einer Zustimmung nach Vertragsabschluss nicht im Sinne des Verbrauchers wäre. § 356 Abs. 5 BGB soll zumindest auch dem Schutz des Verbrauchers vor übereilten Entscheidungen dienen. Durch die zwei Stufen – zunächst Vertragsabschluss und dann Zustimmung – wird die Vorschrift diesem Zweck gerecht.
Der Verbraucher ist keiner erhöhten Drucksituation ausgesetzt, jedenfalls keiner, die sich von sonstigen Fernabsatzverträgen, unterscheidet. Indem er durch eine gesonderte Erklärung bestätigen muss, dass er sein Widerrufsrecht verliert, wird er vielmehr vor Übereilung bewahrt, die in einem laufenden Online-Spiel durchaus naheliegt, wenn anders in diesem Moment ein höherer Spielelevel oder eine besondere Spielaktion oder -ausstattung nicht erreicht werden kann.“
Gesonderte Erklärung notwendig?
Die Parteien stritten sich auch darüber, ob vom Verbraucher eine gesonderte Erklärung notwendig ist oder aber ob die Zustimmung zum Erlöschung auch mit dem Klick auf den Bestellbutton eingeholt werden kann.
Diese Frage musste das Gericht aber nicht mehr entscheiden, da in dem Online-Shop bereits die zeitliche Abfolge (erst Vertragsschluss, dann Zustimmung zum Erlöschen) nicht eingehalten wurde.
Fazit
Setzt sich diese Auffassung durch, steht Händlern, die mit digitalen Inhalten handeln, erheblicher Aufwand ins Haus. Fast alle Händler lassen sich die Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes bereits im Bestellprozess auf der letzten Seite geben. Das geht aber nach der Entscheidung des LG Karlsruhe nicht mehr. Vielmehr müsste zunächst der Vertrag geschlossen werden, z.B. mit Klick auf den Bestellbutton. Anschließend, bevor dem Kunden dann die digitalen Inhalte zur Verfügung gestellt werden, wie z.B. eBooks, Spiele, Apps, Musik etc. müsste die Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes eingeholt werden.
Die Entscheidung verdient allerdings keine Zustimmung. Das Gericht übersieht in der Argumentation ein entscheidendes Detail. Mit der Zustimmung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes zum Beispiel auf der Bestellseite erlischt das Widerrufsrecht noch nicht. Das Widerrufsrecht erlischt nämlich erst dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrages begonnen hat (im Falle der Zustimmung durch den Verbraucher und Bestätigung der Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht in dem Fall verliert).
Der zeitliche Ablauf ist also eingehalten, den das Gericht hier als gefährdet ansieht. Es gibt keine gesetzliche Regelung, dass die Zustimmung zur sofortigen Vertragserfüllung erst nach Vertragsschluss eingeholt werden darf. (mr)
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